Der Hacker, der sein eigenes autonome Auto baut

Sind Viele immer besser als Einer?

Viel wurde bereits über selbstfahrende Autos als auch das autonome Fahren selbst geschrieben – auch hier auf diesem Blog. Fakt ist, dass alle großen Automobilhersteller auf diesem Gebiet forschen. Und auch viele Unternehmen, die bislang nichts mit dem Automobilgeschäft am Hut hatten versuchen, auf diesem Gebiet Fuss zu fassen. Sei es UBER, Apple, Google oder auch Faraday Future. Und sie machen dies oft mit Heerscharen an Forschern und Entwicklern, damit man nicht das „Next Big Thing“ verpasst.
Und im Gegensatz dazu gibt es auch immer wieder Einzelkämpfer die durch Idealismus und geniale Ideen oder Ansätze Lösungen  erschaffen, die sonst nur große Teams realisiert bekommen. In diesem Post möchte ich über einen Entwickler berichten, der sich „mal eben“ ein autonom fahrendes Auto aus Standard-Elektronikbauteilen und einer selbst entwickelten Software zusammen baut.
Dieser Entwickler heißt George Hotz, ist 26 Jahre alt und war früher mal Hacker. Bekannt wurde er unter dem Pseudonym „geohot“.

Was haben iPhone, Playstation 3 und Chrome gemeinsam?

Eventuell kommt Euch der Name bekannt vor: vor einigen Jahren war George über Nacht berühmt geworden. Und zwar, weil er der Erste war, der das iPhone gehackt hat.  Und man dann dieses Telefon nicht nur bei AT&T benutzen konnte, sondern bei beliebigen Mobilfunkprovidern. Damals war er übrigens 17 Jahre alt. Danach hat er sich mit Sony angelegt und die Playstation 3 gehackt. Und er hat an vielen Hacker-Wettbewerben teilgenommen bei denen er auch regelmäßig die ersten Plätze belegt und damit entsprechende Preisgelder verdient hat.
Und – wie bereits erwähnt – er hat sich selbst ein autonom fahrendes Auto gebaut.
Viele werden denken, dafür muß dieser junge Mann unglaublich viel Geld ausgegeben haben. Und unglaublich viel Arbeit investiert haben. Nun – um ehrlich zu sein, weder das Eine noch das Andere.

Nur 50.000,- US$?

Laut eigener Aussage hat er für die erste funktionierende Version einen Monat gebraucht. Und etwa 50.000 US$ investiert. Das notwendige Auto hat den Löwenanteil gekostet: nämlich 30.000US$ . Dafür hat er sich einen weißen Acura ILX gekauft. Der restliche Betrag ist in die Hard- und Software-Ausstattung des Autos gegangen. Z. B. ein Computer mit 21,5 Zoll Bildschirm der unter dem Betriebssystem Ubuntu Linux läuft. Ein Joystick zum Aktivieren und deaktivieren des Selbstfahr-Modus. Ein Netzwerk-Switch, GPS-Sensoren sowie Kameras (Baugleich mit denen, die in Handys verbaut werden) die die Umgebung des Fahrzeugs überwachen sowie weiteres an Elektronik-Bauteilen welche aber alle Standard und überall frei verkäuflich sind.
Die Software jedoch ist das, bei der er im Gegensatz zu vielen anderen andere Wege einschlägt. Hotz setzt bei seiner Software auf Artifical Intelligence (AI). Dies schlägt sich auch auf die Komplexität der Software nieder. Sein Programm zur Steuerung des Fahrzeuges hat in einer frühen Version ca. 2000 Lines of Code. Jeder der sich ein wenig mit Software-Programmierung auskennt wird bei dieser Zahl staunen. Den viele Smartphone-Apps haben heute oft schon mehr als 20000 Programmzeilen.

Deep Learning – lernen in der Tiefe?

Man muß sich also fragen: wie kann so etwas funktionieren? Dazu ist es nötig, sich einen speziellen Bereich der AI zu fokusieren. Dieser Bereich ist das sogenannte Deep Learning.
Doch was heißt Deep Learning. Nun, wörtlich übersetzt würde es „Tiefen Lernen“ heißen. Aber sinnhaft übersetzt etwa so viel wie Maschinenlernen. Dies soll bedeuten, dass sich Maschinen bzw. Programme selbst bestimmte Dinge beibringen. Was beängstigend klingen mag, ist bereits vielfach Realität für uns – auch wenn wir es nicht immer sofort merken oder wissen.
Oder habt Ihr gewusst, dass wir dies täglich nutzen – nämlich in der Form von Siri, Cortana, Watson oder auch Google Now. Das sind Assistenten, die es ohne AI und Deep Learning nicht geben würde.

Katzen und das Internet?

Eine erste Anwendung war 2011 ein Versuch von Google X. Sie haben sich der Datenbank von YouTube angenommen und in drei Tagen ca. 10 Millionen dort abgespeicherter Standbilder analysiert.
Das Ergebnis war, dass man die Bilder in verschiedene Kategorien einteilen konnte. Nämlich menschliche Gesichter, menschliche Körper und … Katzen. Ja, aus diesem Versuch heraus entstammte auch die Erkenntnis, dass das Internet voller Katzenbilder ist.

Was ist ein Stuhl?

Und mit solchen Methoden ist es möglich, dem Computer beizubringen, Dinge zu erkennen. Wie z. B. einen Stuhl.
Wie kann das funktionieren? Nun – man gebe einem möglichst leistungsfähigem Computer oder auch einem Computernetz möglichst viele Bilder von Stühlen. Dieser Rechnernetz analysiert die Bilder und erkennt entsprechende Muster. Z. B. ein Stuhl hat 4 Beine, eine Sitzfläche und eine Rückenlehne. Bestimmte Stühle haben auch Armlehnen. Wenn der Computer dieses „verstanden“ hat, ist er in der Lage, auf beliebigen Bildern Stühle zu erkennen. Sei es nun ein Bürostuhl, einer für eine Essecke, ein Barhocker oder ein Gartenstuhl.

Was macht das Auto mit dem Fahrrad?

Und nach diesem Prinzip verfährt Hotz bei der Programmierung seines selbstfahrenden Autos. Er codiert nicht tausende von IF-Abfragen in seine Programme um z. B. auf einen Radfahrer zu reagieren sondern er läßt sein Auto bzw. die Software lernen wie es auf ein solches Ereignis reagieren soll. Dies entspricht einem „Lern“-Modus in seiner Software. Er zeigt dem Auto bzw. dem Software-System, wie es bei bestimmten Situationen reagieren soll. Er fährt selbst bestimmte Strecken und das Fahrzeug erkennt die entsprechenden Muster. Und je öfter das Fahrzeug bestimmte Situationen „erlebt“ und entsprechende Muster darin erkannt hat,  umso besser kann das Fahrzeug sich „erinnern“ und entsprechend „reagieren“. Und je mehr Daten vorhanden sind umso genauer und besser wird das Ergebnis. Dies ist im Übrigen auch der wahre Grund für die Aquisition von HERE Maps durch das deutsche Automobilkonsortium: die Daten der vielen Nutzer von HERE sollen gesammelt werden (natürlich anonymisiert) und dort entsprechende Muster erkannt, verarbeitet und zurück an die Fahrzeuge gesandt werden.
Um damit immer besser bei der Navigation und dem autonomen Fahren zu werden.

Funktioniert es?

Die entscheidende Frage ist natürlich, funktioniert es? Die Antwort lautet ja. Dies durfte bereits ein Reporter von Bloomberg selbst erleben bzw. erfahren. Er hat sich insgesamt drei mal mit Hotz getroffen. Einmal, nachdem dieser sein System erst wenige Tage in Betrieb hatte und danach mit jeweils zwei  bzw. drei Wochen Abstand dazwischen. Und jedesmal war das System sicherer und vermittelte ein souveräneres Fahrgefühl als zuvor.
Und Hotz geht diesen Weg weiter: er plant in den nächsten Monate für UBER zu fahren. D. h. er lernt seinem System das Fahren bzw. kann es erproben und kann damit zusätzlich Geld verdienen. Blöd ist was anderes …
Und er möchte auch gleich noch zwei weitere Punkte mit seinem Projekt beweisen: das sein System besser ist als das von Tesla und das er ein günstigeres Sensorensystem für selbstfahrende Autos hat als der bisherige Marktführer, das israelische Unternehmen Mobileye.

Ein autonomes Auto zum nachrüsten?

Mobileye beliefert derzeit z. B. Tesla, BMW, Ford, General Motors und andere. Aber deren System ist auch entsprechend teuer da es spezielle Sensoren sowie eigene Chipsätze benötigt. Das Hotz´schen System mit einfachen „Handy“-Kameras und einem Standard Linux-Computer mit spezieller Software wäre im Vergleich dazu um ein vielfaches billiger als Mobileye. Ein weiterer Vorteil der Lösung von Hotz: man könnte eventuell auch herkömmliche Autos mit einer solchen Technologie zum autonomen fahren ausstatten bzw. aufrüsten. Dies würde einen riesigen Markt eröffnen und auch für eine schneller Marktdurchdringung durch Nutzung der existierenden Fahrzeugflotte ergeben. Hotz selbst hat bereits von mehreren Freunden und Bekannten Bestellungen für ein solches von ihm entwickelten System erhalten.

George vs. Elon?

Und mit Elon Musk hat Hotz eine Wette laufen, dass sein Sensoren-System für das autonome fahren besser ist als das von Tesla, welches auf der Mobileye-Technologie basiert. Und er mit seinem „Do-it-yourself“-autonom-fahrenden-Auto damit früher autonom über die Golden Gate Brücke in San Francisco fahren, als Tesla dies mit seinem Model S kann. Warum gerade die Golden Gate Bridge? Die Brücke ist wegen der fehlenden bzw. unregelmäßigen Fahrbahnmarkierung eine echte Herausforderung für die derzeit erhältlichen Systeme. Dies ist Hotz´ Plan und derzeit sieht es ziemlich gut für Ihn aus.

Wie geht es weiter?

Das nächste Ziel von Hotz ist die Demonstrationsfahrt über die Golden Gate Brücke. Evtl. bekommt Hotz danach einen Job von Musk angeboten. Man wird sehen in welche Richtung sich dieses Thema bei George entwickelt …

Bei You Tube gibt es übrigens Videos von Bloomberg über die Hotz´schen Fahrten: https://youtu.be/KTrgRYa2wbI